Erwerbsobliegenheit und Kindesunterhalt bei Erwerbsminderungsrente

Urteil zur EU RenteAllein der Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente entbindet den davon betroffenen Unterhaltspflichtigen nicht von der Erwerbsobliegenheit, also der Möglichkeit, Einkünfte durch eigene Arbeit zu erzielen. Er bleibt darlegungs- und beweispflichtig bezüglich seiner Erwerbsobliegenheit. Das geht aus einem BGH-Beschluss vom November 2016 hervor.

Tenor des vorliegenden BGH-Beschlusses

Wenn eine Person zum Unterhalt verpflichtet ist, muss sie grundsätzlich ihre eigene Arbeitskraft bestmöglich einsetzen. Kommt sie dem nicht nach, kann ein Gericht fiktive Einkünften anrechnen, die dann bei der Unterhaltsberechnung hinzugezogen werden. Kommt es zum Prozess, so muss der Unterhaltsverpflichtete beweisen, dass er ausreichend seiner Erwerbsobliegenheit nachgekommen ist. Das geht aus dem Beschluss des BGH vom 09.11.2016 unter Aktenzeichen XII ZB 227/15 hervor. Die Berufung allein auf die Erwerbsminderungsrente genügt nicht der Darlegungs- und Beweislast.

Zum vorliegenden Fall

Im betreffenden Verfahren ging es um einen im Haushalt des Vaters lebenden minderjährigen Jungen. Dieser verklagte – vertreten durch den Vater – die eigene Mutter auf die Zahlung von Kindesunterhalt, die eine volle EM-Rente wegen einer Schwerbehinderung von 70 % bezieht.

Die Ursache der vollen Erwerbsminderung ist eine psychische Erkrankung. Die Mutter wollte keinen Unterhalt leisten. Sie war der Auffassung, dass sie über ihre Rente hinaus keine Einkünfte erzielen und daher keinen Unterhalt zahlen könne. Erschwerend kam hinzu, dass sie ihre kranke Mutter pflegt.

Der Fall gelangte zunächst vor das Oberlandesgericht Brandenburg, das die Mutter als ausreichend leistungsfähig ansah. Daher entschieden die Richter, dass ihr fiktive Einkünfte anzurechnen seien, weil sie eine stundenweise Erwerbstätigkeit schuldhaft unterlassen habe. Das sei auch einer unterhaltsverpflichteten Person beim Bezug der vollen EM-Rente zuzumuten. Zwar sei der Bezug der EM-Rente ein starkes Indiz für die vorliegende Erwerbsunfähigkeit. Dennoch legt das Sozialrecht lediglich fest, dass Personen voll erwerbsgemindert sind, wenn sie nicht täglich mindestens drei Stunden erwerbstätig sein können.

Dementsprechend sei eine unter dreistündige tägliche Erwerbstätigkeit der Mutter durchaus zu erwarten. Wenn sie dazu nicht fähig sei, müsse sie das beweisen können. Die Pflege der eigenen Mutter belegte nach Ansicht der Richter, dass die Frau durchaus in gewissem Umfang leistungsfähig sei.

Beschluss des Bundesgerichtshofs

Da die Mutter das daraus resultierende Urteil anfocht, gelangte die Sache zum BGH, der die Auffassung der Richter am OLG Brandenburg bestätigte. Er betonte in seinem Beschluss, dass Unterhaltspflichtige im Grundsatz von der Obliegenheit zur Erwerbstätigkeit betroffen seien.

Ihre mangelnde Leistungsfähigkeit müssen sie in so einem Fall gesondert beweisen, auch wenn der Rentenversicherungsträger das augenscheinlich schon getan hat. Der Rückzug auf die Bewilligung der EM-Rente genügt also nicht, um sich den Unterhaltspflichten zu entziehen.

Zu erwarten ist nach Auffassung der obersten Richter, dass Menschen auch im Geringverdienerbereich ein Erwerbseinkommen erzielen, wenn sie unterhaltspflichtig sind. Sie können sich zwar nicht durch die Arbeitsagentur vermitteln lassen, müssen dann aber andere Wege beschreiten, um ihre verbleibende Leistungsfähigkeit auszuschöpfen. Auch die Pflege eines Angehörigen entbindet nach dem vorliegenden BGH-Beschluss einen Unterhaltsverpflichteten nicht von seiner Erwerbsobliegenheit, um den Unterhalt seiner Kinder zu sichern.

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